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27.03.2012 Hofgeismarer Allgemeine

Berthold MayrhoferEine Stadt, drei Schicksale
Klassik-Hommage an die Traumstadt Wien

von Dr. Lothar Jahn

 IMMENHAUSEN. Ein ganz besonderes Konzert erwartete am Freitagabend die Besucher der Reihe „Glas und Klassik“ in der Glashütte Süßmuth Immenhausen. Musikalisch erlebte man die Ausdifferenzierung der Sonate in 100 Jahren Musikgeschichte zwischen 1780 und 1880, dazu gab es aber hochinteressante Einblicke ins Innenleben dreier großer Komponisten.
    Es spielte das Duo Susanne Hermann (Violine) und Julia Reingardt (Klavier), dazu verlas Berthold Mayrhofer (siehe Foto oben) mit sonorer Stimme Originaltexte vor allem aus Briefen der Komponisten. Gemeinsames musikalisches und lebensweltliches Zentrum aller drei war über viele Jahre Wien: Das Motto der Veranstaltung lautete also auch „Wien, Du Stadt meiner Träume“ .
    Für Mozart traf das Motto zu: Er fühlte sich in Salzburg gedemütigt und hatte endlich beim Erzbischof seine Kündigung eingereicht, als er 1981 gen Wien aufbrach. In den Briefen an seinen Vater, der ihm den Schritt verübelte, versucht er alles, dem Eindruck entgegenzuwirken, er würde in Wien nur dem Amüsement frönen. Er beteuerte statt dessen seinen Fleiß und den hohen Stellenwert, den Arbeit und Geldverdienen in seinem Leben als gehorsamer und gottesfürchtiger Sohn nun spielen würden. Als der 14 Jahre jüngere Beethoven nach Mozarts Tod nach Wien übersiedelte, freute sich, wie nah er der Wirkungsstätte seinem Vorbild gekommen war und fand dort nach großen Erfolgen als Pianist endlich auch Anerkennung als Komponist. Aber er erlebte auch abgrundtiefe Verzweiflung  und dachte gar an Selbstmord, weil sein Gehör ihn nach und nach verließ, wodurch er immer eigenbrötlerischer und unfreundlicher wurde. Brahms schließlich, kam erstmals 1862 nach Wien: An haseatische Pingeligkeit gewöhnt befremdete und faszinierte ihn die dort vorherrschende lässige Lebensart zugleich. Doch so richtig glücklich war er dort zunächst nicht. Zeitgenossen wie selbst sein Freund Eduard Hanslick kritisierten die von ihm veantworteten Konzerte, die immer wieder ums Thema Tod kreisten: „Wer hat schon Lust, sich am selben Abend erst protestantisch und dann katholisch begraben zu lassen?“ Die Rückkehr nach Hamburg gelang nicht, da er den ersehnten Direktorenposten der Philharmonie nicht bekam.. Am Ende war er aber von den Dreien doch der, der in Wien ein zufriedenes, erfülltes und von finanziellen Sorgen freies Leben führen konnte und schon zu Lebzeiten als einer der Größten seiner Zeit geehrt werde.

Dramaturgischer Wechsel
    Der dramaturgisch sinnvolle Wechsel zwischen den gesprochenen Passagen und der in der jeweiligen Zeit entstandenen Musik gelang dem Trio hervorragend. So entdeckte man im bekannten zupackenden Anfangstthema der Mozartsonate in F-Dur KV 377, die direkt nach Mozarts Umzug nach Wien entstanden war, ein Auftrumpfen und Aufbegehren, während sich im versöhnlichen Schluss-Satz dann sein Bemühen um Anerkennung widerspiegelte.
    Doch während diese Sonate, die zusätzlich ein eingängiges Thema mit Variationen im Mittelsatz hat, noch fast suitenhaften Charakter hat, wehrt durch Beethovens c-Moll-Sonate op. 30 Nr. 2 schon ein anderer Geist; hier fließen schon symphonische Gedanken einer musikalischen Erzählung ein!
Höhepunkt dwar dabei das „Adagio cantabile“ im Mittelsatz, bei der die Pianistin sich äußerste Zurückhaltung auferlegen musste, während die Geige ihre schmerzensreiche Melodik in der Art einer Sopranistin darbot, die ihr Innerstes nach Außen kehrt. Dass die Geige dabei nie die Führung verlor, obwohl sie sich in langen Tönen schwelgte und klagte, während das Klavier schnelle Läufe zu spielen hattte, war eine große Leistung beider Interpretinnen, denen ohnehin ihr jahrelanges Zusammenspiel bei der sinnvollen Gestaltung der Stücke zugute kam.
    So gelang auch die Brahms-Sonate in G-Dur op. 78, die eine noch stärkere Ausdifferenzierung der Form und der musikalischen Mittel zu bieten hatte, hervorragend: Hier musste sich die Violine oft auch noch im zweistimmigen, terzen- und sextenreichen Spiel bewähren. Interessant war dabei auch der Vergleich der unterschiedlichen Adagio-Gestaltung: Während Beethoven in seinem langsamen Satz geradezu verstörend persönlich wurd, füllt Brahms seinen Mittelsatz mit Klängen der Ruhe und friedlichen Besinnung. Alles in allem also ein höchst aufschlussreiches und spannendes Konzert. Dies wurde auch ermöglicht durch die Förderung des Hagebau-Marktes „Löber“ in Hofgeismar, dessen Geschäftsführer Olaf Löber es sich nicht nehmen ließ, das Konzert selber zu genießen.
 
Wien, Du Stadt meiner Träume Wien, Du Stadt meiner Träume Wien, Du Stadt meiner Träume
Viele Zuschauer interessierten sich für "Glas und Klassik"
(ganz links: Sponsor Olaf Löber)
Äußerste Konzentration:
die Kunst der Sonate
Hervorragend aufeinander abgestimmtes Trio:
Susanne Hermann, Julia Reingardt, Berthold Mayrhofer

>> Die rot gesetzten Passagen und die drei Fotos unten fehlen aus Platzgründen in der Druckversion.

(c) 2012 Dr. Lothar Jahn, Hofgeismar/Hessisch-Niedersächsische Allgemeine